Mit dem Versprechen einer Generalrevision des KiBiz waren SPD und Grüne in den Landtagswahlkampf gezogen und machten sich bald nach Regierungsantritt gemeinsam mit Eltern, Beschäftigten und Kommunen auf den Weg. Am Donnerstag wurde nun die erste Stufe der Änderungen an dem alten schwarz-gelben Gesetz vom Landtag beschlossen. Warum, wieso und wozu? Die Bochumer Landtagsabgeordnete Carina Gödecke beantwortet die wichtigsten Fragen.
Der Landtag NRW hat in der letzten Plenarwoche „die KiBiz-Revision“ auf den Weg gebracht. In der politischen Diskussion ist dieses Wort zu einem geflügelten Begriff geworden. Worum geht es hier eigentlich?
Zunächst steht die Abkürzung „KiBiz“ für das Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern – Viertes Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes – SGB VIII. Dieses Gesetz stammt aus der Feder der abgewählten Landesregierung, die SPD hat es damals abgelehnt. Entscheidend ist an diesem Gesetz, dass es ein Finanzierungsgesetz für die Arbeit in den Einrichtungen der frühkindlichen Bildung ist – mehr aber auch nicht. Die dort hauptsächlich festgeschriebenen Gruppenformen und die Kindpauschalen für die Einrichtungen haben mit einem BILDUNGSgesetz wenig zu tun.
Das verabschiedete erste Änderungsgesetz ist laut Landesregierung nur der Anfang einer „Generalrevision“. Warum bedarf es eines so breit angelegten Änderungsprozesses?
Wie gesagt, hat die alte Landesregierung sich zum größten Teil um die reine Finanzierung von Kindertageseinrichtungen gekümmert und selbst das hat sie nicht gut gemacht. Viele Einrichtungen sind erkennbar unterfinanziert, das muss sich ändern.
Das hat auch zur Folge, dass die Beschäftigten in den Einrichtung vielfach überlastet werden und die frühkindliche Bildung, um die es in solch einem Gesetz ja auch und vor allem gehen sollte, absolut abhängig von der meist schlechten Kassenlage ist.
Hinzu kommt, dass wir zwischen den verschiedenen Kommunen große Unterschiede in diesem Bereich haben und darüber hinaus in den Kapazitäten in der U3- Betreuung unter Umständen den gesetzlichen Standard bis 2013 an einigen Stellen nicht erreichen würden. Viele Probleme, die nach vielen guten Lösungen schreien.
In einem ersten Schritt hat die Landesregierung jetzt dafür gesorgt, dass das letzte Kindergartenjahr vor der Einschulung beitragsfrei wird. Warum wird bei einer anscheinend ja vorhandenen Unterfinanzierung gerade hier zuerst angesetzt?
Zunächst sei gesagt, dass hier natürlich Einnahmeausfälle für die Kommunen entstehen, die wir als Land aber ausgleichen werden. Die hierfür erforderlichen Summen sind im Haushalt 2011 festgesetzt und dieser wurde ja auch in der letzten Woche beschlossen.
In der Reihenfolge der abzuarbeitenden Probleme hat sich für uns als Sozialdemokraten und Grüne zuerst die Frage der sozialen Gerechtigkeit gestellt. Dazu gehört Chancengleichheit im Bildungssystem und das möglichst von Anfang an.
Kindertagesstätten sind für uns Orte der frühkindlichen Bildung und Bildung muss für alle Kinder unabhängig vom Geldbeutel der Eltern zugängig und damit beitragsfrei sein. Deshalb haben wir gesagt, an erster Stelle steht, dass für das letzte Kindergartenjahr vor der Einschulung keine Elternbeiträge mehr erhoben werden.
Das würde in der logischen Konsequenz aber auch bedeuten, dass irgendwann die komplette frühkindliche Bildung beitragsfrei sein müsste.
Das ist absolut richtig. Wir haben jetzt einen Einstieg in die Elternbeitragsfreiheit geschafft und wollen langfristig eine durchgängige Beitragsfreiheit wie im Schulsystem, wo sie ja auch niemand in Frage stellt.
Die Opposition stellt momentan trotzdem viele Fragen. Vor allem bemängelt sie, dass „der Bauch der Gesellschaft“ für die Änderungen zahlen müsste und so besonders belastet würde.
Das entbehrt schlicht und ergreifend jeder sachlichen Grundlage. Ich möchte sogar so weit gehen, dass wir den angesprochenen „Bauch der Gesellschaft“ entlasten. Das sind nämlich Familien mit kleinen und mittleren Einkommen, für die Kinder heutzutage ein erhöhtes Armutsrisiko bedeuten. Das belegen alle seriösen Studien. Denen greifen wir jetzt unter die Arme und ermutigen sie dazu, wieder mehr Kinder in die Welt zu setzen, weil sie sehen, dass ihre Kinder erstens gut und zweitens kostengünstig bzw. beitragsfrei betreut werden können.
Einige Kritiker behaupten, die Beitragsfreiheit sei nicht so notwendig wie eine Qualitätssteigerung der frühkindlichen Bildung in den Einrichtungen. Sollte das Geld nicht lieber in die Qualität gesteckt werden?
Was auf den ersten Blick als sehr klug erscheint, ist nicht hundertprozentig durchdacht. Zwischen Beitragsfreiheit und Qualitätssteigerung besteht nämlich absolut kein Gegensatz. Denn wir entlasten mit der Elternbeitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr auch die Kommunen, indem wir ihnen einen höheren Ausgleich zahlen werden, als sie durch Elternbeiträge zurzeit einnehmen.
Da das Land die Elternbeiträge an dieser Stelle ohne Wenn und Aber übernimmt, kann in den Einrichtungen viel besser geplant werden, vor allem was das Personal angeht. Die jährliche Unsicherheit über die tatsächlichen Beiträge und das damit zu finanzierende Personal ist damit zu einem ersten Teil vom Tisch. Das hilft den Erzieherinnen – es sind meistens Frauen – , in diesem schwierigen Job Sicherheit für die Zukunft zu haben. Voraussetzung für pädagogische Qualität ist – da sind wir uns alle einig – eine vernünftige Personalausstattung. Insofern ist die Beitragsfreiheit ein wichtiger und guter Beitrag, den wir zur Entlastung der Familien und zur Qualitätsverbesserung leisten. Das sagen im Übrigen auch die fünf Wirtschaftsweisen. Weitere Schritte werden folgen, wir stehen ja erst am Anfang.
Wie kann das, was in der letzten Woche im Landtag beschlossen wurde, jetzt also zusammengefasst werden.
Wir haben uns mit dem ersten Änderungsgesetz auf den Weg in eine Generalrevision des unzureichenden Gesetzes der alten Landesregierung gemacht. Im ersten Schritt haben wir dabei vor allem die Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr beschlossen. Denn sie schafft am schnellsten mehr Bildungsgerechtigkeit, entlastet Familien und Kommunen und sorgt gleichzeitig für eine erste Qualitätssteigerung in der frühkindlichen Bildung. Wir sind aber damit noch nicht am Ende, sondern machen uns jetzt an die zweite Stufe der Revision, wiederum gemeinsam mit Eltern, Beschäftigten und Kommunen.
Zunächst steht die Abkürzung „KiBiz“ für das Gesetz zur frühen Bildung und Förderung von Kindern – Viertes Gesetz zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes – SGB VIII. Dieses Gesetz stammt aus der Feder der abgewählten Landesregierung, die SPD hat es damals abgelehnt. Entscheidend ist an diesem Gesetz, dass es ein Finanzierungsgesetz für die Arbeit in den Einrichtungen der frühkindlichen Bildung ist – mehr aber auch nicht. Die dort hauptsächlich festgeschriebenen Gruppenformen und die Kindpauschalen für die Einrichtungen haben mit einem BILDUNGSgesetz wenig zu tun.
Das verabschiedete erste Änderungsgesetz ist laut Landesregierung nur der Anfang einer „Generalrevision“. Warum bedarf es eines so breit angelegten Änderungsprozesses?
Wie gesagt, hat die alte Landesregierung sich zum größten Teil um die reine Finanzierung von Kindertageseinrichtungen gekümmert und selbst das hat sie nicht gut gemacht. Viele Einrichtungen sind erkennbar unterfinanziert, das muss sich ändern.
Das hat auch zur Folge, dass die Beschäftigten in den Einrichtung vielfach überlastet werden und die frühkindliche Bildung, um die es in solch einem Gesetz ja auch und vor allem gehen sollte, absolut abhängig von der meist schlechten Kassenlage ist.
Hinzu kommt, dass wir zwischen den verschiedenen Kommunen große Unterschiede in diesem Bereich haben und darüber hinaus in den Kapazitäten in der U3- Betreuung unter Umständen den gesetzlichen Standard bis 2013 an einigen Stellen nicht erreichen würden. Viele Probleme, die nach vielen guten Lösungen schreien.
In einem ersten Schritt hat die Landesregierung jetzt dafür gesorgt, dass das letzte Kindergartenjahr vor der Einschulung beitragsfrei wird. Warum wird bei einer anscheinend ja vorhandenen Unterfinanzierung gerade hier zuerst angesetzt?
Zunächst sei gesagt, dass hier natürlich Einnahmeausfälle für die Kommunen entstehen, die wir als Land aber ausgleichen werden. Die hierfür erforderlichen Summen sind im Haushalt 2011 festgesetzt und dieser wurde ja auch in der letzten Woche beschlossen.
In der Reihenfolge der abzuarbeitenden Probleme hat sich für uns als Sozialdemokraten und Grüne zuerst die Frage der sozialen Gerechtigkeit gestellt. Dazu gehört Chancengleichheit im Bildungssystem und das möglichst von Anfang an.
Kindertagesstätten sind für uns Orte der frühkindlichen Bildung und Bildung muss für alle Kinder unabhängig vom Geldbeutel der Eltern zugängig und damit beitragsfrei sein. Deshalb haben wir gesagt, an erster Stelle steht, dass für das letzte Kindergartenjahr vor der Einschulung keine Elternbeiträge mehr erhoben werden.
Das würde in der logischen Konsequenz aber auch bedeuten, dass irgendwann die komplette frühkindliche Bildung beitragsfrei sein müsste.
Das ist absolut richtig. Wir haben jetzt einen Einstieg in die Elternbeitragsfreiheit geschafft und wollen langfristig eine durchgängige Beitragsfreiheit wie im Schulsystem, wo sie ja auch niemand in Frage stellt.
Die Opposition stellt momentan trotzdem viele Fragen. Vor allem bemängelt sie, dass „der Bauch der Gesellschaft“ für die Änderungen zahlen müsste und so besonders belastet würde.
Das entbehrt schlicht und ergreifend jeder sachlichen Grundlage. Ich möchte sogar so weit gehen, dass wir den angesprochenen „Bauch der Gesellschaft“ entlasten. Das sind nämlich Familien mit kleinen und mittleren Einkommen, für die Kinder heutzutage ein erhöhtes Armutsrisiko bedeuten. Das belegen alle seriösen Studien. Denen greifen wir jetzt unter die Arme und ermutigen sie dazu, wieder mehr Kinder in die Welt zu setzen, weil sie sehen, dass ihre Kinder erstens gut und zweitens kostengünstig bzw. beitragsfrei betreut werden können.
Einige Kritiker behaupten, die Beitragsfreiheit sei nicht so notwendig wie eine Qualitätssteigerung der frühkindlichen Bildung in den Einrichtungen. Sollte das Geld nicht lieber in die Qualität gesteckt werden?
Was auf den ersten Blick als sehr klug erscheint, ist nicht hundertprozentig durchdacht. Zwischen Beitragsfreiheit und Qualitätssteigerung besteht nämlich absolut kein Gegensatz. Denn wir entlasten mit der Elternbeitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr auch die Kommunen, indem wir ihnen einen höheren Ausgleich zahlen werden, als sie durch Elternbeiträge zurzeit einnehmen.
Da das Land die Elternbeiträge an dieser Stelle ohne Wenn und Aber übernimmt, kann in den Einrichtungen viel besser geplant werden, vor allem was das Personal angeht. Die jährliche Unsicherheit über die tatsächlichen Beiträge und das damit zu finanzierende Personal ist damit zu einem ersten Teil vom Tisch. Das hilft den Erzieherinnen – es sind meistens Frauen – , in diesem schwierigen Job Sicherheit für die Zukunft zu haben. Voraussetzung für pädagogische Qualität ist – da sind wir uns alle einig – eine vernünftige Personalausstattung. Insofern ist die Beitragsfreiheit ein wichtiger und guter Beitrag, den wir zur Entlastung der Familien und zur Qualitätsverbesserung leisten. Das sagen im Übrigen auch die fünf Wirtschaftsweisen. Weitere Schritte werden folgen, wir stehen ja erst am Anfang.
Wie kann das, was in der letzten Woche im Landtag beschlossen wurde, jetzt also zusammengefasst werden.
Wir haben uns mit dem ersten Änderungsgesetz auf den Weg in eine Generalrevision des unzureichenden Gesetzes der alten Landesregierung gemacht. Im ersten Schritt haben wir dabei vor allem die Beitragsfreiheit für das letzte Kindergartenjahr beschlossen. Denn sie schafft am schnellsten mehr Bildungsgerechtigkeit, entlastet Familien und Kommunen und sorgt gleichzeitig für eine erste Qualitätssteigerung in der frühkindlichen Bildung. Wir sind aber damit noch nicht am Ende, sondern machen uns jetzt an die zweite Stufe der Revision, wiederum gemeinsam mit Eltern, Beschäftigten und Kommunen.
Quelle: Homepage Carina Gödecke