Die Sozialdemokraten zerpflücken die Minivorhaben der Regierung als Täuschungen und Irrlichterei
Es war die letzte Chance der schwarz-gelben Koalition, noch einigermaßen das Gesicht vor der Öffentlichkeit zu wahren: ein paar gemeinsame Vorhaben finden und irgendwie umsetzen. Die nun beschlossenen Maßnahmen von Union und FDP bei Steuern, in der Pflege und dem Betreuungsgeld sind Täuschungen und Schwindel.
Die Bundesregierung möchte zum 1. Januar 2013 und 1. Januar 2014 publikusmwirksam Steuern senken, und zwar in einem Gesamtumfang von 6 Milliarden Euro. Dazu soll unter anderem der Grundfreibetrag angehoben werden. Dem müssen die Bundesländer zustimmen. Woher dieses Geld kommen soll, hat die Regierung bis dato nicht beantwortet.
Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel lehnt die von Schwarz-Gelb geplanten Steuersenkungen ab. Steuermehreinnahmen müssten genutzt werden, um Schulden abzubauen und nicht um Wahlgeschenke zu machen, sagte er am Montag dem Radiosender HR-Info. „Die Zeiten, in denen man Politik auf Pump gemacht hat, sind endgültig vorbei. Wenn Union und FDP jetzt Steuern senken wollen, dann müssen sie auch sagen, wo sie einsparen wollen.“ Es werde jetzt über Geld geredet, das noch nicht da sei, kritisierte Gabriel. „Was passiert eigentlich, wenn die wirtschaftliche Entwicklung nicht so gut bleibt?“ Gabriel mahnte die Bundesregierung, bei allen Steuerplänen die Verfassung einzuhalten, der zufolge Schuldenabbau Vorrang habe.
Auch in Deutschland nicht alles finanzierbar
SPD-Fraktionsvize Joachim Poß sagte zu den Ergebnissen: „Anstatt sich auf die zentralen Probleme und Herausforderungen zu konzentrieren, hierbei an einem Strang zu ziehen und tatsächliche Schritte nach vorn zu erarbeiten, hat auch diesmal wieder jeder Koalitionär sein eigenes Süppchen gekocht und für seinen eigenen Vorteil gekämpft.“ In Einzelfragen seien lediglich minimale Fortschritte erzielt worden; die Einigung in der Steuerfrage als einen Sieg der Steuergerechtigkeit darzustellen und zu feiern sei eine „groteske Überhöhung“.
In der Tat: Jeder Koalitionspartner hat irgendetwas zugestanden bekommen, um damit vor den eigenen Leuten bestehen zu können. Poß: „Dabei ist jetzt die Zeit, gerade bei der Verwendung der öffentlichen Mittel klare Prioritäten zu setzen. Auch im reichen Deutschland ist bei weitem nicht alles finanzierbar.“
Verlierer ist der Bundeshaushalt. Er zahlt zu weiten Teilen die Zeche für die Beschlüsse von Schwarz-Gelb. In der Summe wird der Bundeshaushalt mit jährlich mehr als fünf Milliarden Euro belastet. Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) hat zugelassen, dass die Koalition den Kurs der Haushaltskonsolidierung verlässt. Alles, was beschlossen und zugesagt worden ist, wird auf Pump finanziert.
Bundesrat wird die Pläne wohl ablehnen
SPD-Vize-Chefin Manuela Schwesig sprach von einem vergifteten Weihnachtsgeschenk. Deutschland habe gigantische Staatsschulden. „Die Verschuldung noch mehr zu erhöhen, gerade zulasten der zukünftigen Generation, ist unverantwortlich“, sagte sie
Als „Irrweg“ kritisierte auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles die geplanten Steuerentlastungen. Für den einzelnen Bürger blieben nur „mickrige“ Beträge übrig, während der Bundeshaushalt dadurch erheblich belastet werde, sagte Nahles. Sie zeigte sich sicher, dass die SPD-geführten Länder das Vorhaben im Bundesrat ablehnen werden. Hamburg, Bremen, Rheinland-Pfalz und NRW sprachen sich umgehend gegen die Steuersenkungspläne der Regierung aus.
Peinliches Pflege-Reförmchen
Auch die unausgegorenen Pläne zur Reform der Pflegeversicherung lehnen die Sozialdemokraten ab. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition hatte sich darauf geeinigt, zum 1. Januar 2013 den Beitrag zur Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte anzuheben. Zudem soll es eine „Demographiekomponente“ geben. „Wir halten die Pflegepläne für ein Konjunkturprogramm für die private Versicherungswirtschaft“, sagte Andrea Nahles. Für die betroffenen Menschen werde es hingegen keine ausreichende Entlastung geben, insbesondere für die Demenzkranken. Nahles kritisierte zudem den geplanten Aufbau einer privaten Zusatzvorsorge, analog zur Riester-Rente: „Pflege sollte unbedingt am Bedarf orientiert und solidarisch finanziert bleiben.“
Von einem „peinlichen Pflege-Reförmchen“ sprach SPD-Fraktionsvize Elke Ferner: „Das Konzept löst nicht einmal im Ansatz die vorhandenen Probleme im Pflegebereich“. Die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen würden von der Kanzlerin im Stich gelassen. Der geplante „Pflege-Riester“ etwa sei „überflüssig wie ein Kropf“.
Die SPD fordert stattdessen die Einführung einer solidarischen Pflegeversicherung. Vor allem Geringverdiener blieben bei den von der Bundesregierung favorisierten Modellen einer privaten Zusatzversorgung außen vor, sagte die stellvertretende gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Hilde Mattheis.
Betreuungsgeld „politischer Irrsinn“
Die Koalitionspläne für ein Betreuungsgeld hält die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dagmar Ziegler für „politischen Irrsinn“. Es halte Kinder von früher Förderung in Kitas ab, erschwere die Integration von Kindern aus Einwandererfamilien und verhindere die frühe Rückkehr von Frauen in den Beruf, sagte Ziegler. Darüber hinaus würden damit Milliarden von Steuergeldern verschwendet, die im Ausbau von Kindertagesstätten notwendig seien. Einen Vorteil bringe das Betreuungsgeld nur der konservativen Wählerklientel der CSU.
Quelle: Website SPD-Bundestagsfraktion