Parteitag der SPD Bochum: Quo vadis, nach den Wahlen?

Katarina Barley, die Generalsekretärin der SPD, beim Parteitag der SPD Bochum

SPD-Banner vor dem Jahrhunderthaus in Bochum
SPD-Banner vor dem Jahrhunderthaus in Bochum
In Rheinland-Pfalz erfolgreich, dafür heftige Niederlagen in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg: SPD-Generalsekretärin Katarina Barley will daraus nun Konsequenzen für die Bundestagswahl ziehen.
Nach Ansicht der SPD-Generalsekretärin Katarina Barley haben die Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg Signalwirkung für die Bundestagswahl.
Auf dem Parteitag der Bochumer SPD sagte Barley, jede einzelne der drei Landtagswahlen müsse jetzt von ihrer Partei genau analysiert werden.
Katarina Barley, die Generalsekretärin der SPD, beim Parteitag der SPD Bochum
Katarina Barley, die Generalsekretärin der SPD, beim Parteitag der SPD Bochum

Diese Analyse sei entscheidend – gerade weil die SPD es als Juniorpartner in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg so schwer gehabt habe.
„Deswegen müssen wir jetzt sehr genau überlegen, welche Strategien wir fahren für die nächste Bundestagswahl“, sagte Barley. „Man hat es immer schwer als kleinerer Partner in einer Koalition“, betonte sie. Und bei allen drei Wahlen sei der jeweilige Juniorpartner abgestraft worden.
Die Linie der SPD in der Flüchtlingspolitik hat nach Ansicht von Barley nicht zu den herben Verlusten der Partei in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg beigetragen. In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg hätten mit Malu Dreyer und Winfried Kretschmann Spitzenkandidaten gewonnen, die in der Flüchtlingspolitik eine ganz klare Linie gehalten hätten, betonte sie. Diese sei pro-europäisch und humanitär gewesen.
„Es jetzt gerade an der Flüchtlingspolitik festzumachen, dass da die SPD-Linie abgestraft worden wäre, das halte ich wirklich für falsch“, sagte Barley.
Karsten Rudolph, der Vorsitzende der SPD Bochum, bei der Eröffnung des Parteitages
Karsten Rudolph, der Vorsitzende der SPD Bochum, bei der Eröffnung des Parteitages
Den Parteitag eröffnete der Parteivorsitzende Karsten Rudolph.
Die Die Eröffnungs- und Begrüßungsrede ist am Ende des Beitrages vollständig dokumentiert.
Der SPD-Vorsitzende von Bochum sprach natürlich auch den Vortag an, wo beim sogenannten „Super-Wahlsonntag“ in den drei Bundesländern Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gewählt wurde. Bei denen erlitt die SPD zwei deutliche Niederlagen und man kann nur in Rheinland-Pfalz mit dem Ergebnis zufrieden sein.
Besonders erschreckend sei das Abschneiden der AfD die eben aufgrund ihrer Programmatik keine Alternative für Deutschland darstelle, sondern Ziele verfolge, die entgegengesetzt zu den Zielen der SPD stehen würden.
Anschließend diskutieren die Bochumer Genossinnen und Genossen sehr intensiv über die Ursachen der gestrigen Wahlen und verabschiedeten einstimmig die „Bochumer Erklärung“ der SPD.

Redebeitrag von Karsten Rudolph

Nachfolgend der Redebeitrag des SPD-Vorsitzenden Karsten Rudolph zum SPD-Parteitag am 14. März 2016. Aus Zeitgründen (damit mehr mit der SPD-Generalsekretärin Katarina Barley diskutiert werden konnte) wurde die Rede nur in Auszügen gehalten und der Rest zu Protokoll gegeben.

Eröffnung und Begrüßung

Ich eröffne den Parteitag der Bochumer SPD und grüße alle Delegierten und Gäste im Namen des Präsidiums und Vorstandes recht herzlich.
Einen unter unseren Gästen möchte ich hervorheben. Mein besonderer Gruß gilt Jochen Siebert, dem Betriebsratsvorsitzenden von QVC.
Lieber Jochen, wir wissen, in welcher schwieriger Situation Du persönlich, der Betriebsrat und die Beschäftigten von QVC in Bochum sind. Du sollst wissen, wir beobachten die Entwicklungen bei Euch vom ersten Augenblick an und sehr sorgfältig und stehen in einem gut und vertraulichen Kontakt.
Für uns alle, für die Bochumer SPD, kann ich auch an dieser Stelle sagen: Wir stehen an der Seite der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in guten wie in schlechten Zeiten und lassen uns hierbei in konkreter Hilfe und Unterstützung von niemanden übertreffen.
Ich möchte an dieser Stelle aber auch ein Wort des Dankes loswerden. Ein Dank an unsere Bezirksbürgermeisterinnen und Bezirksbürger, die seit unserem letzten Parteitag in Wattenscheid – mit unserem Innenminister und weit über 100 interessierten Bürgern – in der ersten Reihe standen, wenn es um die Unterbringung zahlreicher Flüchtlinge in Bochum ging.
Ich kann euch sagen, wenn ihr mit ihren Gedanken bei der Vorbereitung der nächsten Bürgerversammlung wart, dann haben viele von uns an euch gedacht. Ihr habt einen wunderbaren Job gemacht – herzlichen Dank dafür!
Unser Konzept seit dem Amtsantritt des neuen Oberbürgermeisters war klar. Wir müssen die vielen Flüchtlinge in größeren Unterkünften unterbringen, die aus einer Hand betreut werden. Dabei galten und gelten folgende Grundsätze:

  • In Bochum erfolgt die Verteilung gerecht über das gesamte Stadtgebiet. Dies fordert allen Bürgern etwas ab und nicht nur wenigen.
  • Der Aufbau größerer Unterkünfte geht Hand in Hand mit einer konkreten Verbesserung der örtlichen Infrastruktur, von der alle Bürger etwas haben.
  • Über die Belegung der größeren Unterkünfte erzielen wir konkrete örtliche Erleichterungen, vor allem durch die Freiziehung von Turnhallen.

Aktueller Politischer Bericht

Mein aktueller politischer Bericht kann den gestrigen Tag nicht ausnehmen.
Machen wir uns nichts vor, der gestrige Wahlsonntag war ein schwerer Schlag auch für die Sozialdemokratie, und er wird als ein schwarzer Sonntag in die Geschichte der deutschen Demokratie eingehen.
Ob in Rheinland-Pfalz, in Baden-Württemberg oder in Sachsen-Anhalt:
Der lachende Gewinner dieser Wahlen war eine anti-demokratische Partei. Sie hat keinen Beitrag zur Demokratie geleistet, indem sie Bürger wieder an die Wahlurne brachte; sie hat in den letzten Monaten beständig das Ressentiment geschürt, gezüchtet und mobilisiert.
Und je radikaler sie sich gebärdete, umso mehr Stimmen fand sie unter manchen Wählern, die sich bedroht oder zurückgesetzt sehen.
Es ist natürlich klar, dass wir uns um die Ursachen für ein solches Wahlverhalten und um Protestwähler kümmern werden – ohne diese als unmündige Kindern zu behandeln, die nicht wissen, was sie tun.
Ebenso klar ist es aber auch, dass wir deutlich sagen, um was es sich bei dieser AfD handelt:
Es handelt sich um eine offen rassistische, nationalistische und menschenverachtende Partei. Wer zum Waffengebrauch gegen Frauen und Kinder aufruft und anschließend behauptet, er sei auf der Maustaste des Computers ausgerutscht, der ist für mich eins: ein elender Provokateur und Lügner. Deswegen ist diese Partei – wie jede andere rechtsradikale Partei – nichts anderes als eine Lügenpartei.
Heute verachtet sie Flüchtlinge, morgen andere Minderheiten und übermorgen alle, die gegen sie sind.
Wo Menschen in Not geraten, da helfen wir!
Wo Krieg ist, versuchen wir ihn zu beenden!
Wo soziale Schieflagen sind, handeln wir, um sie zu beseitigen!
Wo Wohnungen knapp werden, kümmern wir uns um bezahlbaren Wohnraum!
Für all das brauchen wir keine AfD, die sich jetzt zum Nabel der deutschen Politik machen möchte.
Dies vorausgeschickt erwarte ich gleich eine kritische und auch selbstkritische Diskussion über die SPD, die nach vorne zeigt.
Ich freue mich jedenfalls, dass wir an einem solchen Tag wie heute mit unserer Generalsekretärin, Katarina Barley, diskutieren können. Ich bin gespannt darauf, was sie uns zu sagen hat.
Last not least verweise ich auf den Initiativ-Antrag 1, die Bochumer Erklärung, die wir zusammen mit den Ortsvereinsvorsitzenden vorbereitet haben. Es gibt einen unter uns, der die Hauptarbeit dabei geleistet hat, aber heute Abend leider nicht hier sein kann: unser Ehrenvorsitzender, Bernd Faulenbach, der gerade für den Verein „Gegen Vergessen – für Demokratie“ unterwegs ist. Ich soll euch alle grüßen und er hat an einem Tag wie diesen, die beste Begründung dafür zu fehlen.
Wir haben uns seit unserem letzten Parteitag in unserer praktischen Arbeit von vier Zielen leiten lassen:

  • Als Partei, die mitten in der politischen Verantwortung für Bochum steht, wollen wir noch klarer Orientierung bieten, wir dürfen nicht nur reagieren, wir müssen agieren, um unseren Führungs- und Gestaltungsanspruch zu unterstreichen;
  • wir müssen nach innen und nach außen Meinungs- und Willensbildung betreiben; wir brauchen mehr Politik von unten, weniger Politik von oben;
  • wir müssen die Stadtgesellschaft besser repräsentieren, d.h. ganz vielfältige Erfahrungen, unterschiedliche Gruppen und Interessen abbilden; nur so können wir erfolgreich bestimmen, was aus einer sozialdemokratischen Perspektive heraus für alle gelten soll;
  • wir müssen Entscheidungen treffen, wir uns dürfen nicht wegducken oder verstecken, wenn es schwierig wird. „Sammeln und führen“ – das ist unsere Aufgabe!

Das waren und sind unsere Ansprüche.

Woran arbeiten wir nun zurzeit konkret?

Im April startet unsere Kommission „Bochum 2020“ mit der Arbeit; sie wird uns helfen, Perspektiven aufzuzeigen und politische Gestaltungsräume zu erschließen.
Wir sind im Gespräch mit der Bürger- und Wählerinitiative. Diese Initiative ist zu gut und wertvoll, um nur in Wahljahren aktiv zu sein; ich würde mich freuen, wenn eine solche Initiative mit weit überparteilicher Ausstrahlung sich des Themas „Politik- und Parteienverdrossenheit“ annehmen könnte.
Im Juni machen wir unseren „Antragsparteitag“ – ohne große Vorträge und Referate; hier sprechen jetzt die Ortsvereine, die Stadtbezirke, die Arbeitsgemeinschaften, um die Grundlagen für unsere weitere Arbeit zu legen; wir werden bis dahin auch die Ergebnisse unserer großen Umfrage unter den Ortsvereinen haben und eine Verständigung wie wir in die Wahlkämpfe des nächsten Jahres gehen wollen.
Wir haben begonnen, uns um die Quartiersentwicklung, um ganz Bochum und seine Stadtteile zu kümmern; wir wollen neue Wurzeln schlagen und die Bürger dazu bewegen mitzuhelfen, dass nirgendwo bessere Arbeit, gute Bildung, preiswertes Wohnen, vielfältige Freizeitmöglichkeiten und eine moderne Infrastruktur zu kurz kommen; dies wird auch unseren Anspruch unterstreichen, in Bochum die Schutzmacht der kleinen Leute zu sein;
Wir wollen neue Mitglieder für die SPD gewinnen, deswegen bereiten wir in diesem Jahr Aktivitäten für eine gezielte Werbung neuer Mitglieder vor.