Bundestagswahl 2017 – Wahlprogramm der SPD hier: Besonderer staatlicher Schutz für Gesundheitsdaten (P3, 13.06.2016)

SPD Bochum Ortsverein Bochum-Altstadt

Parteitag der SPD Bochum – 13. Juni 2016 – Jahrhunderthaus Bochum

Antragsnummer: P3
Antragsteller: SPD Ortsverein Bochum-Altstadt
Betreff: Bundestagswahl 2017 – Wahlprogramm der SPD
hier: Besonderer staatlicher Schutz für Gesundheitsdaten
SPD Bochum Ortsverein Bochum-AltstadtDer UB-Parteitag möge beschließen:
Die SPD soll sich mit ihrem Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 für die gesetzliche Verankerung eines hohen staatlichen Schutzes von Gesundheitsdaten und diskriminierungsfreie Gesundheitsversorgung aussprechen.
Begründung:
Mit dem eHealth Gesetz soll das Potenzial der Informationstechnologie (IT) für das Gesundheitswesen weiter ausgeschöpft werden, um eine effektivere Gesundheitsversorgung zu sorgen. Der Einsatz von IT und die aufkommende Erfassung von personenbezogenen Gesundheits- und Versorgungsdaten lassen die personalisierte Medizin Wirklichkeit werden. Deshalb bedürfen Gesundheitsdaten eines besonderen staatlichen Schutzes. Weiterhin muss eine Diskriminierung von Versicherten, z.B. in Form von höheren Versicherungstarifen, ausgeschlossen werden.
Rechtliche Einordnung:
Es ist eine wichtige Aufgabe des Gesetzgebers, den Schutz von personenbezogenen Gesundheitsdaten zu gewährleisten. Die Verarbeitung dieser Art personenbezogener Daten (vgl. § 3 Abs. 9 BDSG) setzt wegen deren Sensibilität und der zugrunde liegenden, durch das Patienten- und durch das Sozialgeheimnis besonders geschützten Vertrauensbeziehung (§ 35 SGB I, § 203 Abs. 1, 2 StGB, Berufsordnungen) besonders hohe technische, organisatorische und rechtliche Schutzvorkehrungen voraus.
Chancen:
Kaum eine technologische Entwicklung wird das Leben so grundlegend verändern, wie die Erfassung und Auswertung großer Datenmengen (Big Data), dies trifft auch auf das Gesundheitswesen zu. Ein Teil dieser Entwicklung ist die zunehmende Erfassung, Sammlung und Auswertung von individuellen Gesundheitsdaten, z.B. durch Schrittzähler, Pulsmesser oder Genomanalysen zu Erstellung eines persönlichen Gesundheitsprofils. Eine Entwicklung die sich erst in den Anfängen befindet. Diese Daten haben ein großes Potential für den Einzelnen, wenn es darum geht, die optimale Therapie oder Rehabilitationsmaßnahme zu finden, mit chronischen Krankheiten umzugehen und die verfügbaren Ressourcen des Gesundheitssystems effizient einzusetzen.
Problem:
Sozial- und Gesundheitsdaten sind für viele Beteiligte im Gesundheitswesen von hohem wirtschaftlichem Wert, das gilt insbesondere für individuelle Gesundheitsdaten. Sie können dazu genutzt werden, gesundheitliche Risiken zu individualisieren und das Solidarprinzip der Krankenkasse in Frage zu stellen. Bereits heute erheben Krankenkassen und andere Sozialleistungsträger mehr Daten, als für deren Aufgaben erforderlich sind und umgehen dabei gesetzlich vorgesehen Verfahren.
Solidarprinzip erhalten:
Die Möglichkeit zur Erfassung individueller Gesundheitsdaten und Lebensgewohnheiten weckt das Interesse der Krankenversicherer, eine gesündere Lebensweise durch niedrigere Versicherungstarife zu belohnen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, wer sich nicht gesundheitsbewusst verhält, zahlt einen höheren Versicherungstarif.
Dies wäre gleichbedeutend mit der Abkehr von einem solidarischen Gesundheitssystem und führt zu einer Endsolidarisierung der Gesellschaft. Jeder Mensch hat das Recht, auf seine Art und Weise zu leben und darf dafür nicht benachteiligt oder diskriminiert werden, das Solidarprinzip muss hier über dem finanziellen Vorteil des Einzelnen stehen.
Was muss getan werden, um das Schutzniveau von Gesundheitsdaten sicherzustellen

  • Der Schutzbereich personenbezogener Daten ist dahingehend zu erweitern, dass aus der Erhebung, Verarbeitung und Auswertung individueller Gesundheits- und Versorgungsdaten keine Nachteile in der Krankenversicherung resultieren dürfen.
  • Es ist ein umfassendes und hohes Schutzniveau festzulegen, das den technischen Gegebenheiten und Möglichkeiten der modernen Informationstechnologie gerecht wird.
  • Die Datenverarbeitung im gesetzlichen wie im privaten Versicherungsbereich ist so zu regeln, das Transparenz, Datensparsamkeit und eine wirksame Kontrolle gewährleistet ist.
  • Die Erhebung und Verarbeitung von Gesundheitsdaten ist aus Gründen des Datenschutzes eine vorranging hoheitliche Aufgabe, die nicht an Dritte delegiert werden darf.

Mögliche Gegenargumente und deren Entkräftung:

  1. Warum soll ich für die ungesunde Lebensweise anderer Menschen zahlen?
    Die Krankenversicherung ist eine Solidarversicherung, mit der die Gemeinschaft die Risiken von Erkrankung, Alter oder vorübergehender Pflegebedürftigkeit absichert. Es war und ist gesellschaftlicher Konsens, dass auch die möglicherweise negativen Folgen der individuellen Lebensführung durch die Gemeinschaft getragen werden. Dies gilt für den Raucher genauso wie für den Extremsportler. Dieses Prinzip muss auch in Zukunft gelten.
  2. Ich treibe Sport und halte mich gesund, dafür will ich belohnt werden.
    Nicht jeder kann oder will sich immer gesund ernähren oder Sport treiben. Für die alleinerziehende Mutter oder Menschen die im Schichtbetrieb arbeiten, ist Sport oft mit dem Lebensrealitäten nicht vereinbar. Lebensumstände dürfen nicht zum Nachteil des Einzelnen werden.

Mit einer klaren Positionierung im Umgang mit individuellen Gesundheitsdaten setzt die SPD ein deutliches Zeichen für ein auch zukünftig solidarisches Krankenversicherungssystem, denn die Gesundheit des Einzelnen darf nicht nur aus der Basis von Scorewerten bewertet werden.