Antragsnummer: B1
Antragsteller: Unterbezirksvorstand, Stadtbezirk Bochum-Ost
Betreff: Fluchtursachen bekämpfen, Kommunen entlasten, Integration fördern und Zusammenhalt stärken

Weltweit sind mehr als 60 Millionen Menschen auf der Flucht, 86% von ihnen halten sich in Entwicklungsländern auf. Krieg, politische, religiöse oder ethnische Verfolgung, Umweltkatastrophen, Klimawandel, Hunger und Not zwingen Menschen, ihre Heimatländer zu verlassen. Für viele Flüchtlinge, insbesondere auch wegen der unzumutbaren Zustände in zahlreichen Flüchtlingslagern, sind Europa und Deutschland Ziel der Flucht. Die Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben, in Frieden und Freiheit, ohne Angst vor staatlichen Repressionen und in materieller Sicherheit führen vielfach dazu, dass Menschen ihre Heimat auf oftmals lebensgefährlichen Wegen verlassen, zumeist mithilfe von Schlepperbanden und unter Einsatz ihres gesamten Vermögens.
Über 1 Mio. Menschen sind 2015 als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. NRW hat mehr als 200.00 von ihnen aufgenommen und damit Schutz und Hilfe geboten.
Europa und seine Mitgliedstaaten sind wegen einer an Eigeninteressen ausgerichteten Politik, vor allem in den Bereichen Wirtschaft, Sicherheit, Rüstungsexporte, Steuern, Landwirtschaft und Rohstoffe mitverantwortlich für die prekäre Situation in den Heimatländern. Auch deshalb muss Deutschland seinen Beitrag zur Reduzierung des Fluchtdrucks in den Herkunfts- und Aufnahmestaaten in der Region leisten.
Daher fordern wir die Ausweitung und den verstärkten Einsatz von Entwicklungshilfe, humanitärer Hilfe und ziviler Krisenprävention. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) stellt zur Bekämpfung der Fluchtursachen 2016 3 Mrd. Euro zur Verfügung, das Auswärtige Amt für Krisenbewältigung und humanitäre Hilfe 1,2 Mrd. Euro. Dies ist gut angelegtes Geld, um z.B. in den Flüchtlingslagern in den betroffenen Regionen Schulbildung zu ermöglichen.
Wir wollen beide Elemente – die Bekämpfung der Fluchtursachen und die humanitäre Hilfe – in Zukunft deutlich stärken und fordern, dass die Bundesregierung für das BMZ und das Auswärtige Amt mehr finanzielle Mittel aufwendet.
Ein weiterer wichtiger Baustein zur Bekämpfung der Fluchtursachen ist die Sicherstellung der Grundversorgung in Flüchtlingslagern in den Nachbarländern der Krisenregionen. Europa muss sich deutlich stärker an den unterfinanzierten Programmen des Welternährungsprogramms und des UNHCR beteiligen. Ein starker Ausbau der Infrastruktur der Flüchtlingslager, Schulen usw. ist dringend erforderlich.
Jeder dritte Flüchtling kommt aus Syrien. Daher ist es unsere humantiäre Pflicht, alles zu unternehmen, was zum Frieden in Syrien beiträgt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier setzt sich unermüdlich für eine diplomatische Lösung ein. Das begrüßen und unterstützen wir.
Europäische Perspektive
Der unterschiedliche Umgang der europäischen Mitgliedstaaten mit Asylsuchenden und Flüchtlingen zeigt deutlich, wie wichtig es ist, dass die Europäische Union in dieser elementaren Frage gemeinsam handelt. Die Dublin-III-Verordnung muss so schnell wie möglich überarbeitet werden. Die bisherigen Regeln und die in den Mitgliedstaaten vorhandenen Strukturen haben sich als untauglich für den großen Zustrom von Flüchtlingen erwiesen.
Wir unterstützen daher den Kommissionsvorschlag für ein gemeinsames europäisches Asylsystem mit den darin enthaltenen Punkten, wie ein fairer Verteilungsschlüssel, der Kampf gegen illegale Migration, die Einführung eines einheitlichen gemeinsamen, an humanitären Standards ausgerichteten Asylverfahrens, Konvergenz der Aufnahmebedingungen, Verhinderung von Sekundärbewegungen, die Schaffung legaler Migrationswege durch ein strukturiertes Umsiedlungssystem und die Stärkung der Zusammenarbeit mit Drittländern.
Eine europäische Lösung, die das Grundrecht auf Asyl einschränkt, ist mit uns nicht zu verhandeln.
Deshalb müssen wir denjenigen Mitgliedstaaten zur Seite stehen, die schwer zu kontrollierende Außengrenzen haben. Die Verabschiedung der Verordnung über eine Europäische Grenz- und Küstenwache wird zusätzlich dazu beitragen, dass unsere Außengrenzen unter Beachtung der entsprechenden völkerrechtlichen Grundsätze wirksam geschützt werden.
Schleuser und Schlepper müssen in einer konzertierten europäischen Aktion bekämpft werden. Die Seenotrettung im Mittelmeer muss verbessert werden.
Kommunen entlasten
Im Jahr 2015 haben viele Kommunen – angesichts von über 1 Mio. Flüchtlingen bei der Aufnahme, Versorgung und Unterbringung – die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit überschritten. Viele engagierte Kommunalpolitiker, Ehrenamtliche und öffentliche Bedienstete in den Verwaltungen und den Sicherheitsbehörden haben in den zurückliegenden Monaten Außerordentliches geleistet. Ihnen gebührt unser Dank und unsere Anerkennung. Gerade weil die Kommunen so engagiert geholfen haben, ist deutlich zu betonen, dass Flüchtlingspolitik, also die Aufnahme, Unterbringung und vor allem die Integration von Flüchtlingen, eine gemeinsame Aufgabe von Bund, Ländern und Kommunen ist. Selbstverständlich erstreckt sich diese Gemeinschaftsaufgabe auch auf die Europäische Union.
Das Land hilft den Kommunen sowohl in organisatorischer wie auch in finanzieller Hinsicht. Mit insgesamt 4 Milliarden Euro Flüchtlingskosten für 2016 wird aber auch der Landeshaushalt bis an seine Grenzen belastet.
Auch der Bund hat 2015 seine Soforthilfe für Länder und Kommunen auf Initiative der SPD auf 2 Mrd. Euro verdoppelt. Ab 2016 zahlt der Bund den Ländern eine Pauschale von monatlich 670 Euro pro Asylbewerber für die Dauer des Verfahrens. NRW hat diese Pauschale mit den Landesmittel kombiniert und damit auf jährlich 10.000 Euro pro Flüchtling angehoben. Weitere 350 Mio. Euro werden für die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zur Verfügung gestellt.
Die Entlastung der Kommunen auch durch den Bund muss trotz der aktuell rückläufigen Flüchtlingszahlen verstetigt werden, um eine humanitäre Unterbringung und eine nachhaltige Integration zu gewährleisten. Die schwarze Null allein kann nicht Maßstab allen Handelns sein. Unsere Städte und Gemeinden schultern die eigentlichen Aufgaben der Unterbringung, Verpflegung und Integration. Keine Stadt soll die Leistungen für ihre Bürgerinnen und Bürger einschränken müssen, um diese finanzieren zu können.
Auch aus diesem grund sind das Land und vor allem der Bund gefordert, ihren beitrag zur Aufrechterhaltung der kommunalem handlungsfähigkeit zu leisten. Kommunen benötigen genegmigte kommunale Haushalte oder kommunale Haushaltssicherungskonzepte, um gerade die Herausforderungen der doppelten Integration meistern zu können.
Einwanderung möglich machen
Nach 60 Jahren Einwanderung muss Deutschland endlich ein Einwanderungsgesetz bekommen. Auch für Menschen, die keine Asyl- oder Bleiberechtsgründe geltend machen können, sondern vor Hunger und Perspektivlosigkeit fliehen, muss eine legale Form der legalen Zuwanderung ermöglicht werden.
Integration fördern
Ziel der Integrationspolitik ist ein friedliches Zusammenleben in einer offenen freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft. Dafür ist eine „doppelte Integration“ erforderlich. Erfolgreiche Integration bedarf einer beidseitigen und verbindlichen Akzeptanz unserer Grundwerte und Regeln, die sich aus Menschen- und Bürgerrechtung unseres Grundgesetzes ableiten. Wir wollen, dass aus Flüchtlingen unsere Nachbarn, Kollegen und Freunde werden. Wir streben keine Assimilation, sondern Emanzipation in kultureller und religiöser Hinsicht an.
Zur Zielerreichung bedarf es eines Integrationsplanes. NRW hat als erstes Bundesland einen Integrationsplan in das parlamentarische Verfahren eingebracht, und wird ihn unter breiter Beteiligung von Sachverständigen, Verbänden und Bürgern noch vor der Sommerpause verabschiedet.
Integration ist aber eine gemeinschaftliche Aufgabe von Bund und Ländern. Deshalb muss der Integrationsplan NRW seine Fortsetzung in einem Deutschlandplan finden. Das vom Deutschen Bundestag verabschiedete Integrationsgesetz ist ein erster wichtiger Baustein hierfür.
Durch das Integrationsgesetz sollen 100.000 zusätzliche Arbeitsgelegenheiten für Asylsuchende geschaffen werden. Für sie besteht eine Pflicht, an Integrationsmaßnahmen teilzunehmen. Tun sie dies nicht, werden Leistungen gekürzt. Schutzsuchende erhalten früher als bisher Zugang zum Arbeitsmarkt und zu Integrationsleistungen. Das Ingetrationsgesetz des Bundes schafft Rechtssicherheit für alle Betriebe, die ausbilden und für alle Flüchtlinge, die eine Ausbildung anstreben. Der Aufenthalt ist für die ganze Dauer der Ausbildung gesichert, und nach erfolgreicher Ausbildung schließt sich ein zweijähriges Aufenthaltsrecht zur Beschäftigung an („3+2“-Regelung). Die Altersgrenze für den Beginn einer Ausbildung entfällt. Damit werden für Flüchtlinge neue und schnellere Zugänge zu Integrationskursen geöffnet. Der Anspruch darauf soll auf das erste Jahr nach der Ankunft konzentriert werden.
Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive müssen möglichst schnell einen Kurs besuchen können. Wartezeiten sollen von bisher drei Monaten auf sechs Wochen verkürzt werden. Die Kursangebote werden entsprechend ausgeweitet.
Zusammenhalt stärken
Die Aufnahme und Integration vieler neuer Menschen in unserem Land ist eine große Herausforderung und verlangt beiden Seiten viel ab. Von denen, die neu kommen, aber auch von denen, die schon hier leben. Um gesellschaftlichen Spannungen von Anfang an entgegen zu wirken, müssen wir Verteilungskonflikten um Kita-Plätze, Schulbildung oder bezahlbaren Wohnraum verhindern. Nur so kann ein neues Miteinander gelingen.
Wir lassen uns nicht von denjenigen spalten, die jetzt gegen Flüchtlinge hetzen. Wir treten den Hassparolen entschieden entgegen und stärken die demokratischen Kräfte in unserem Land. Wir wissen: Die Aufnahme vieler Flüchtlinge ist eine große Herausforderung, die wir nur bewältigen, wenn wir zusammenhalten und diese Aufgabe gemeinsam anpacken.
Die Basis hierzu hat der Landtag schon im letzten Jahr mit der Schaffung von 6000 zusätzlichen Lehrerstellen, der Erhöhung der Grundfinanzierung der Kindertageseinrichtungen, den speziellen Förderprogramme im Bereich der frühkindlichen Bildung, der Wohnungsbauoffensive für jährlich 120.000 neue Wohnungen, der verstärkten Förderung der ehrenamtlichen Flüchtlingshilfe und den höheren Mitteln für die Beratung und HIlfen gegen Rechtsextremismus geschaffen. Weitere Maßnahmen wie die Bereitstellung von 900.000 Euro für die Beratung und Unterstützung von Gewalt betroffener traumatisierter Frauen, die Erweiterung des offenen Ganztages um 5000 Plätze und die Förderung des Programmes „Zusammenkommen und Verstehen in Höhe von 1, 5 Millionen Euro sind nur einige Beispiele für eine fortgesetzte Integrationspolitik in NRW.
Wir unterstützen auch die Vorschläge der SPD für einen Solidarpakt für Deutschland.
Denn der Sozialdemokratie geht es um die ganze Gesellschaft.
Deutlich wird das unter anderem daran, dass wir keinen „Flüchtlingswohnungsbau“, sondern sozialen Wohnungsbau für alle wollen. Mit der Mietpreisbremse, dem Bestellerprinzip bei Maklerverträgen, der Wohngelderhöhung und mehr Geld für sozialen Wohnungsbau haben wir in den letzten beiden Jahren bereits eine Menge bewegt, damit Wohnen bezahlbar bleibt. Doch das reicht uns nicht. Deshalb haben wir im Bund durchgesetzt, dass 2017 zusätzlich 1,8 Milliarden Euro investiert werden. Für deutlich mehr bezahlbare Wohnungen für alle.
Die Länder erhalten doppelt so viel wie bisher, um den sozialen Wohnungsbau anzukurbeln. Auch die KfW, die größte nationale Förderbank, erhält 500 Millionen zusätzlich, um den sozialen Wohnungsbau zu unterstützen. Und wir investieren 300 Millionen Euro zusätzlich in eine soziale Stadtentwicklung. Denn in den Quartieren, Kiezen und in der Nachbarschaft entscheidet sich, ob Teilhabe, Chancengerechtigkeit und Integration gelingen.
Wir wollen keine Flüchtlings-Kitas, sondern ausreichend Kinderkrippen und Kitas für alle, die einen Platz suchen. Deswegen sieht der von der Bundesregierung vorgesehene Solidarpakt weitere Investitionen zum Ausbau der Kinderbetreuung und weitere Kitaplätze für alle Kinder vor. Er verhindert, dass der erfreuliche Mehrbedarf zu einer Konkurrenz um die bestehenden Betreuungsmöglichkeiten wird. Kinder in Deutschland brauchen alle die bestmögliche Förderung – egal woher sie oder ihre Eltern stammen. Deshalb unterstützen wir den Solidarpakt, der den Ausbau von Kitaplätzen voran: in 2017 mit 450 Millionen Euro, ab 2018 mit einer halben Milliarde Euro.
Wir erwarten und setzen uns nachdrücklich dafür ein, dass die Wahlprogramme der SPD sowohl auf der Landes- als auch auf der Bundesebene den Integrationsplan bzw. den Solidarpakt mit der deutlichen, auch finanziellen Priorisierung der doppelten Integration in den Mittelpunkt ihrer Politik stellen. Soziale Gerechtigkeit konkretisiert sich nämlich in der realen Lebenssituation aller Menschen, und ist die Basis für ein selbstbestimmtes Leben in Frieden und Freiheit, für ein tolerantes und respektvolles Miteinander, für eine demokratische Gesellschaft, die allen Menschen die Chance auf Teilhabe und Mitgestaltung ermöglicht.