Internationaler Frauentag: Drei Fragen an Birgit Fischer

Anlässlich des Internationalen Frauentages am 08.03 stellten wir drei Fragen an Birgit Fischer, der ehemaligen Gleichstellungsbeauftragen der Stadt Bochum und ehemalige Landesministerin für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie.

Bild: d.Laessig/vfa
  1. Am 08. März 2020 ist Internationaler Frauentag. Was steht hinter diesem Tag?

Das Kernanliegen des Internationalen Frauentages – seit nunmehr 109 Jahren – ist der Kampf um Gleichberechtigung – gleiche Rechte & gleiche Chancen für Frauen. Bei diesen bis heute aktuellen Forderungen gibt es im Laufe der Jahre  viele verschiedene, neue Facetten. Vor 1900 war die SPD die einzige Partei, die sich für das Frauenwahlrecht ausgesprochen hat. Dies wurde zur zentralen Forderung des 1. Internationalen Frauentages, den die Initiative sozialistischer Organisationen am 19.03.1911 begründete. Seit 1921 wurde dieser Tag jährlich am 8. März gefeiert. Es war ein Kampf für das Frauenwahlrecht, für Gleichberechtigung und die Emanzipation von Arbeiterinnen. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus blieb der Internationale Frauentag ein Erkennungsmerkmal von Widerstand, obwohl er nur verdeckt bestehen konnte. Als der Internationale Frauentag nach dem Zweiten Weltkrieg 1946 wieder offiziell eingeführt wurde, ging es um den Kampf gegen Wiederbewaffnung, für Frieden und Gleichberechtigung. Die Frauenbewegung der 70er Jahre, das Internationale Jahr der Frau 1975, die autonome Frauenbewegung sowie die Aktionen der Gleichstellungsbeauftragten seit Ende der 80er Jahre nutzen diesen Tag für kontroverse Debatten. Gestritten wurde um den richtigen Weg und die notwendigen Maßnahmen für Emanzipation und Gleichberechtigung. Bis heute geht es u.a. um die Forderungen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Frauen in Führungsfunktionen und die paritätische Besetzung von Gremien sowie um die Ausgestaltung und Weiterentwicklung der Chancengerechtigkeit in Beruf und Gesellschaft. Frauen, die Hälfte unserer Gesellschaft, haben mit ihrem Kampf um Gleichberechtigung auch den Weg für Minderheiten und ihre Gleichberechtigung und Anerkennung geebnet. Damit steht der Internationale Frauentag heute gleichermaßen für Frauen- und Menschenrechte.

 

  1. Welche Frau/en bewunderst Du und warum?

 

In der Geschichte des Internationalen Frauentages gibt es in jedem Jahrzehnt Frauen, die sich kritisch, kämpferisch und selbstbewusst für Frauenrechte, Gleichberechtigung und Chancengerechtigkeit engagiert haben. Mich haben immer wieder die Frauen beeindruckt und oft auch geprägt, die aus Überzeugung gegen den bestehenden Mainstream angekämpft haben. Es sind Frauen, die eine Vision von einer Gesellschaft haben, in der es Chancengerechtigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung ebenso gibt, wie die Wertschätzung und den Respekt für Menschen, die ihren eigenen Weg gehen. Ich schätze an diesen Frauen, dass sie mit großer  Ausdauer und Beharrlichkeit, auch gegen große  Widerstände, für Veränderungen kämpfen, Gleichgesinnte suchen und immer wieder neue Wege und  Strategien entwickeln, um ans Ziel zu kommen. Ich bewundere Frauen, denen es gelingt, andere Frauen mit ihrem Engagement anzustecken und die Wege finden, auch Männer zu überzeugen und als Mitstreiter zu gewinnen…. weil es letztlich um gesellschaftliche Fortschritte geht.

 

  1. Du hast Dich als Ministerin für Gesundheit, Soziales, Frauen und Familie sowie als Gleichstellungsbeauftrage stets für die Belange der Frauen stark gemacht und eingesetzt. Was sind aus Deiner Sicht die Herausforderungen unserer Zeit?

 

Auch wenn die Gleichberechtigung ein endlos langer Weg ist, wie die Geschichte des Internationalen Frauentages zeigt, hat das politische Engagement der Frauen viel bewirkt und erreicht. Doch jede Zeit bringt neue, spezifische Herausforderungen, Lebens- und Arbeitsbedingungen, Bildungs- und Teilhabechancen. Das Recht, ein selbstbestimmtes, freies Leben zu führen, muss immer wieder austariert und neu erkämpft werden. Das ist heute schwieriger denn je, da wir in einer Welt leben, in der globale Zusammenhänge und Abhängigkeiten sehr deutlich werden. Es hilft dann wenig, „das eigene Haus“ zu bestellen und in Ordnung zu halten. Notwendig sind Wege und Lösungen, die für alle Beteiligte gleiche Rechte und Chancen schaffen. Auch in der Gleichstellungspolitik sind Lösungen nur dann wirksam und nachhaltig, wenn Sie europa- und weltweit Fortschritte anstoßen. Jede Zeit braucht ihre eigenen Lösungen.