Mit Sorge erreichen uns die Nachrichten aus Thüringen, wo das Verfassungsgericht heute, am 15.07.2020, durch sein Urteil die Quotierung der Landeslisten gekippt hat. Für die Beteiligung von Frauen in der Politik ist das eine katastrophale Entscheidung.
Bisher sind in allen deutschen Parlamenten Frauen unterrepräsentiert.[1] Und nein, es liegt nicht daran, dass Frauen sich nicht für Politik interessieren würden. Es liegt auch nicht an Kompetenz oder Leistung. Es ist inzwischen hinreichend belegt, dass es vor allem eine Folge der strukturellen Diskriminierung ist, die Frauen Zugänge verwehrt. Traditionelle Rollenbilder, männlich dominierte Kulturen und nicht zuletzt die Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern beeinträchtigen die Chancengleichheit – auch und besonders in der Politik.
Seit über 100 Jahren haben Frauen das aktive und passive Wahlrecht. Der Artikel 3 des Grundgesetzes formuliert einen Gleichstellungsauftrag an den Staat.[2] Doch mit der aktuellen Entscheidung wird einmal mehr deutlich, wie erschreckend schwer es noch immer ist, diese gleichberechtigte Teilhabe einzufordern und in der Praxis zu leben.
Als AsF Bochum setzen wir uns stetig für die Gleichstellung der Geschlechter ein. Wir solidarisieren uns ausdrücklich mit den Verbänden in Thüringen, die sich für das paritätische Gesetz stark gemacht haben und weiterhin stark machen. Das Urteil darf kein Ende in dieser Debatte bedeuten. Wir müssen gemeinsam Zeichen setzen, damit die ungleiche Behandlung und die strukturellen Diskriminierungen endlich ein Ende finden. Wir fordern Politiker*innen auf, ihre Sichtbarkeit zu nutzen und sich für paritätische Ziele stark zu machen.
Übrigens: Der Verfassungsgerichtshof in Thüringen, der dieses Urteil gefällt hat[3], besteht aus acht Männern und einer Frau.[4]
Und nein, es liegt nicht daran, dass Frauen sich nicht für Jura interessieren würden.[5]
[1] https://www.lpb-bw.de/frauenanteil-laenderparlamenten
[2] „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html
[3] Das Urteil wurde mit einer Mehrheit von 6:3 Stimmen gefällt.
https://www.sueddeutsche.de/politik/paritaet-urteil-thueringen-afd-1.4967686
[4]http://www.thverfgh.thueringen.de/webthfj/webthfj.nsf/$$serviceliste/aufgabenthverfgh?opendocument&thverfgh&aufgaben
[5] Vgl. z.B. https://www.bundesjustizamt.de/DE/SharedDocs/Publikationen/Justizstatistik/Juristenausbildung_2017.pdf?__blob=publicationFile&v=3
https://www.zeit.de/2018/18/diskriminierung-staatsexamen-jura-frauen-migranten