Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus

 

Am 27. Januar erinnern wir uns an die Opfer des Nationalsozialismus. Der Tag wurde gewählt, weil er besondere symbolische Bedeutung hat: am 27. Januar 1945 wurde Auschwitz, das Konzentrations- und Vernichtungslager, beim Vormarsch der Roten Armee befreit.

In diesem Jahr wird im Kontext des Erinnerungstages vielfach an die Wannseekonferenz vor 80 Jahren, am 20. Januar 1942, erinnert, auf der die konkrete Durchführung der sog. Endlösung der Judenfrage durch Abstimmung der verschiedenen politischen Ressorts und Dienststellen des Reiches beschlossen wurde – ein in seiner Konsequenz ungeheuerlicher Vorgang.

Allerdings war zu diesem Zeitpunkt der Judenmord bereits monatelang im Gange – er hatte nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion im Juni 1941 eingesetzt. Er betraf durchaus auch unsere Stadt. Auch bei uns waren die Juden zunächst vertrieben, enteignet, ausgegrenzt, in besonderen Judenhäusern gleichsam unsichtbar gemacht worden. Doch auch hier setzten seit Dezember 1941 die Judendeportationen aus Bochum in die Ghettos und Vernichtungslager im Osten ein.

Am 27. Januar 1942 ging der erste große Transport aus der Region von Dortmund aus nach Riga, insgesamt ca. 1000 jüdische Menschen, davon 85 aus Bochum – die ältesten über 70, das jüngste Kind zwei Jahre alt, außerdem Gruppen aus Witten, Wattenscheid, Castrop-Rauxel, Recklinghausen – wurden in das Ghetto von Riga verschleppt, nur 16 Bochumer haben diesen Transport überlebt. Ein weiterer Transport ging am 30. April 1942 nach Zamość, zu ihnen zählten 65 Bochumerinnen und Bochumer, von denen niemand überlebt hat, dann ein dritter Transport am 27. Juli mit wiederum ca. 1000 Menschen diesmal nach Theresienstadt; von den ca. 45 aus unserer Stadt überlebten lediglich sieben. Anlässlich der 80. Wiederkehr dieser schrecklichen Geschehnisse im Jahre 1942 führt die Initiative Nordbahnhof Bochum e.V. mit dem Stadtarchiv – Bochumer Zentrum für Stadtgeschichte sowie der Evangelischen Stadtakademie zurzeit eine Veranstaltungsreihe durch, die sich mit den Menschen, die damals deportiert wurden und den historischen Kontexten, in denen dies geschah, befasst. Gefragt wird auch nach der Gegenwartsbedeutung.

Bochum hat eine lebendige Erinnerungskultur. Zahlreiche Stolpersteine, Stelen und andere jeweils gekennzeichnete Erinnerungsorte zeugen davon. Wir gedenken an diesen Orten auch der anderen Gruppen, die in der NS-Zeit und während des Zweiten Weltkrieges verfolgt worden sind, auch derjenigen, die aus politischen Gründen ermordet wurden, zu denen auch prominente und weniger prominente Sozialdemokraten gehörten.

Im Hinblick auf die Bedeutung für die Gegenwart sollten wir es uns nicht zu einfach machen. Manche Parallelisierungen führen eher in die Irre. Das Nachdenken über diese Geschehnisse aus dem dunkelsten Kapitel unserer Stadtgeschichte kann Sensibilität für die demokratischen Werte und zivile Umgangsformen fördern, die wohl stets gefährdet sind – offensichtlich auch heute.

 

Prof. Dr. Bernd Faulenbach